Verallgemeinerungen. Zur Rätselhaftiggkeit einer Denkgewohnheit

2015

Interdisziplinäre Veranstaltungsreihe durchgeführt vom Philosophischen Seminar und der Fachstelle für Weiterbildung der Universität Zürich im Rahmen des Programms “Wissenschaft und Weisheit”.

Leitung zusammen mit Donata Schoeller und Peter Schulthess.

Seit den Anfängen der westlichen Philosophie und Wissenschaften gehört es zu
den grundlegendensten und selbstverständlichsten Merkmalen des Denkens, zu ‘verallgemeinern’. Die berühmten Parabeln von Platon, die den Denkweg als Kompetenz des Aufstiegs vom besonderen zu allgemeinen Formen darstellen, drücken den Stellenwert des ‘Universalisierens’ für die gesamte Geschichte neuzeitlichen Denkens aus.
Im diesjährigen Wissenschafts und Weisheitskurs wollen wir einen Freiraum schaffen, der es erlaubt, diese Wurzel unserer Denktradition etwas freizulegen und aus ihrer eingekochten Selbstverständlichkeit zu lösen. Wir wollen uns die Frage erlauben: was machen wir, wenn wir verallgemeinern? Was heisst eigentlich Universalität? Dabei werden wir unterschiedliche Denkerfahrungen machen, je nachdem, wie wir uns der Frage annähern.
Ein vertiefter Blick auf die Tradition wird uns bei diesem Prozess behilflich sein. Sie kann neu ins Bewusstsein treten lassen, was unter “allgemein” gemeint ist und wie wenig selbstverständlich ist, was darunter gemeint ist. Dabei wird reflektierbar, wie wir zu denken gelernt haben und was wir machen, wenn wir ‘etwas’ verstehen wollen. Der Kurs soll unterschiedliche reflexiven Grundgesten zu erkennen geben. Verallgemeinerung als Weg der zunehmenden Entfernung vom Einzigartigen, auch Persönlichen, führt in den “Blick von Nirgendwo”, den unsere wissenschaftliche Kultur prägt. Verallgemeinerung als entgegengesetzte Bewegung der Annäherung an das Einzigartige, auch Persönliche, führt in spirituelle Traditionen, die heute auch eine Renaissance erfahren. Wie diese unterschiedlichen Umgangsformen zusammenkommen, auch dies soll in diesem Kurs reichlich diskutiert werden: so z.B. im Interesse der Art von universaler Gültigkeit, die in Erzählungen vermittelt wird; oder im kognitionswissenschaftlichen Interesse an Verkörperung und Alltagserfahrung, um an die Allgemeinheit sprachlicher Begriffsformen heranzukommen, die traditionell als Hort des Allgemeinen begriffen worden sind. Der Bogen, den dieser Kurs zu schlagen unternimmt, er führt also von den Wurzeln der Philosophiegeschichte, zur Hochblüte der Mystik im Mittelalter, zum Inbegriff des Vernunftverständnisses der Aufklärung, zur Entdeckung des Körpers und der Alltagserfahrung in der Gegenwart und zur Anerkennung der Gültigkeit des Erzählens. All diese Stationen werden unser Verständnis dafür schärfen, was es bedeutet, zu verallgemeinern. All diese Stationen werden Denkerfahrungen ermöglichen, die uns zu einer philosophischeren, sprich staunenderen, Haltung hinsichtlich unserer eigenen Denkgewohnheiten führen.
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Frühere Angebote (Auswahl):

  • 2013/14 Veränderung durch Aufmerksamkeit
  • 2012 Vergessen. Eine Herausforderung für das Denken
  • 2010 Das mag in der Praxis gehen, nicht aber in der Theorie!
  • 2009 Vom Anfang und Ende der Sprache
  • 2008 Geist, Herz, Seele? Eine Spurensuche durch die Wissenschaft
  • 2007 Leistung, Glück oder Gnade? Zur unterschiedlichen Interpretation von Erfolg
  • 2006 Aggression durch Religion? Christentum und Islam im Gespräch
  • 2005 Auswege zur Mitte? Erneuerungsprozesse in den Weltreligionen

Mehr Informationen zum Angebot:

www.philosophie.uzh.ch

www.weiterbildung.uzh.ch