Anthropologien des Vergessens. Zur Unterscheidung erkenntnistheoretischer bzw. pragmatischer Bestimmung,

2012

Beitrag am Symposion der Schweizerischen Philosophischen Gesellschaft zum Thema “Die Anthropologische Wende”, Universität Zürich

 

Abstract:

Parallel zum „anthropological turn“ lässt sich eine Wende zum „Vergessen“ als Gegenstand der Wissenschaften feststellen. Die Zahl der Studien zum Vergessen hat seit einigen Jahren merklich zugenommen. Nicht nur Psychologie, Medizin, Technologie- und Neurowissenschaften, sondern auch Philosophie, Sozial- und Geisteswissenschaften greifen das Thema „Vergessen“ dezidierter auf und streichen dessen Relevanz hervor. Dabei fällt auf, dass die sogenannte „Wiederentdeckung“ des Vergessens als Thema der Wissenschaften einher geht mit einem bestimmten, in meinen Augen problematischen, Verständnis von Vergessen. Meist ohne dass dies ausdrücklich formuliert wird, widmen sich auffallend viele der jüngeren Untersuchungen dem Vergessen als Phänomen mit dem Ziel, dieses als Konstituens von Leben zu erfassen. Dass dabei nur ein und womöglich ein unzureichender Zugang zur Erforschung des Vergessens gewählt wird, gerät vielfach erst gar nicht in den Blick. Aus philosophischer Sicht lassen sich aber mindestens zwei grundlegend verschiedene Zugänge zur Thematik ausmachen – mit divergenten normativen Konsequenzen. Zwar wird in beiden Zugängen das Vergessen als anthropologische Konstante, als universal wirksame Eigenschaft vorgestellt, die Frage aber ist, als Eigenschaft wovon. Während die einen das Vergessen als Konstituens von Leben erforschen, begreifen die anderen Vergessen als Konstituens des Denkens. Diese beiden divergierenden Zugänge zum Vergessen lassen sich differenzieren in eine Anthropologie erkenntnistheoretischer Prägung auf der einen und in eine Anthropologie pragmatischer Prägung auf der anderen Seite. U.a. an Überlegungen von Friedrich Nietzsche und Henri Bergson bzw. Immanuel Kant und Theodor W. Adorno, welche in Bezug auf das „Vergessen“ kontroverse Positionen entwickeln, möchte ich profilieren, welche grundlegenden Unterschiede zwischen diesen beiden Anthropologien bestehen und begründen, warum ausgehend von der Analyse zum Vergessen eine (philosophische) Anthropologie sinnvollerweise eine pragmatisch orientierte ist.


 

Weitere Informationen siehe: Symposion Universität Zürich

Programm: The Anthropological Turn